- 2. März 2018
- Veröffentlicht durch: Baatz
- Kategorie: Allgemein
Bestandskräftig festgesetzte Einfuhrumsatzsteuer ist zu erlassen, wenn und soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass er nach Deutschland eingeführte Waren im unmittelbarem Anschluss für eine innergemeinschaftliche Lieferung verwendet hat (; Revision anhängig, BFH-Az. VII R 4/18).
Hintergrund: Steuerfrei ist die Einfuhr der Gegenstände, die von einem Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen verwendet werden, § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG.
Sachverhalt: Die Klägerin ist ein Schweizer Bauunternehmen, das im Streitjahr 2009 an der Errichtung einer Wohn- und Geschäftsimmobilie in London beteiligt war. In diesem Zusammenhang meldete sie beim deutschen Zoll mehrfach Waren zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr mit unmittelbar anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung an (Verfahren 4200). Bei den Waren handelte es sich um vorgefertigte Konstruktionen, die von der Schweiz über Deutschland an die Baustelle in London transportiert und dort von der Klägerin montiert werden sollten.
Das Zollamt gab die Waren zunächst ohne Erhebung von Einfuhrabgaben frei. Nachdem das Hauptzollamt (HZA) Fehler in den Zollanmeldungen festgestellt hatte, erließ es einen Einfuhrabgabenbescheid. Darin wurden für 85 Zollanmeldungen aus dem Jahr 2009 Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von insgesamt 649.167,64 € gem. Art. 220 Abs. 1 ZK nacherhoben. Der Nacherhebungsbescheid wurde bestandskräftig. Unter Vorlage von Frachtbriefen und anderer Unterlagen stellte die Klägerin einen Erlassantrag nach Art. 236 ZK, den das HZA ablehnte.
Die hiergegen erhobene Klage hatte teilweise Erfolg:
- Die festgesetzte Einfuhrumsatzsteuer ist in Höhe von 227.899,98 € zu erlassen. In diesem Umfang hat die Klägerin nachgewiesen, dass sie die Einfuhren unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen nach § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG verwendet hat. Dies führt nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG zur Steuerfreiheit dieser Einfuhren und begründet einen Erlassanspruch.
- Zwar schließt Art. 236 ZK die Erstattung bzw. den Erlass der Einfuhrumsatzsteuer (unmittelbar) nicht ein, da es sich bei ihr nicht um eine Einfuhrabgabe im Sinne des Art. 236 i.V.m. Art. 4 Nr. 10 ZK handelt.
- Art. 236 ZK ist aber sinngemäß anzuwenden, wenn eine Einfuhr im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG im Inland vorliegt. Das ist hier der Fall, weil die streitgegenständlichen Waren aus der Schweiz über den Landweg mit dem LKW nach Deutschland eingeführt worden sind.
- Die von der Klägerin geschuldete Einfuhrumsatzsteuer ist allerdings nur steuerfrei, soweit der eingeführte Gegenstand im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung einer innergemeinschaftlichen Lieferung verwendet wird.
- Wie und in welcher Form der Nachweis einer an die Einfuhr anschließenden innergemeinschaftlichen Lieferung gegenüber der Zollstelle zu erbringen ist, regelt § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG erst in seiner ab gültigen Neufassung.
- Für das Streitjahr 2009 ist der Nachweis daher durch die in §§ 17a Abs. 2 bis 4 UStDV genannten, leicht nachprüfbaren Belege (Rechnung, Lieferschein usw.) zu führen, sofern diese im Zeitpunkt der Einfuhrabfertigung bereits zur Verfügung stehen.
- Diese Nachweispflichten hat die Klägerin nur teilweise erfüllt. Die Steuerbefreiung ist trotz Nichterfüllung formeller Nachweispflichten auch zu gewähren, wenn aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegen.
- Dieser Grundsatz ist auch auf die Beurteilung der Steuerfreiheit bei der Einfuhr nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG übertragbar: Eine Erstattung oder ein Erlass der Einfuhrumsatzsteuer darf nicht unter Hinweis auf formale Verstöße zum Zeitpunkt der Einfuhr abgelehnt werden, wenn (nachträglich) der Nachweis einer im Anschluss durchgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung erbracht wird.
- Das Finanzgericht war auf Grundlage der ihm vorliegenden Unterlagen jedoch nur hinsichtlich eines Teils der Einfuhren davon überzeugt, dass die betreffenden Waren im Anschluss an die Einfuhr tatsächlich nach Großbritannien versendet wurden.
Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 1/2018 (il)